Inkontinenz – Die wichtigsten Fragen und Antworten
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Von Jacqueline Kusserow, Apothekerin bei mycare.de
Aktualisiert: 22.06.2022
Bis heute ist die Inkontinenz ein Tabuthema. Harn oder Stuhl nicht halten zu können, ist ein sehr sensibles Thema, obwohl es heutzutage verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gibt. Je nach Ursache können Medikamente die Inkontinenz abmildern. Manchmal ist auch ein operativer Eingriff nötig. Es sollte bei diesem intimen Thema zudem bedacht werden, dass ernste Ursachen für die Inkontinenz vorliegen können. Eine ärztliche Abklärung ist daher angeraten.
Betrifft Inkontinenz Männer und Frauen?
Ja, die Stuhl- sowie die Harninkontinenz kann Männer und Frauen betreffen. Doch auch wenn die Inkontinenz bei beiden Geschlechtern vorkommt und grundsätzlich als sehr belastend empfunden wird, so vertrauen sich weibliche Patienten ihrem behandelnden Arzt doch früher an. Männer wissen häufig nicht, welcher Arzt für sie der richtige Ansprechpartner ist. Dabei kann der erste Gang zum Hausarzt schon Klarheit bringen. In vielen Fällen ist die Prostata der Auslöser, doch auch andere mögliche Ursachen sollten abgeklärt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz?
Inkontinenz kann zwei verschiedene Szenarien beschreiben. Das bekannteste ist die Harninkontinenz. Bei ihr kann Urin nicht zuverlässig in der Blase gehalten werden, bis der Gang zur Toilette geschafft ist. Inkontinenz kann aber auch bedeuten, dass der Stuhl nicht mehr kontrolliert zurückgehalten werden kann. Diese Stuhlinkontinenz ist allerdings selten anzutreffen.
Wie äußert sich Harninkontinenz?
Die Symptome können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Deshalb unterscheidet der Mediziner zwischen Dranginkontinenz, Stressinkontinenz, und einigen weiteren Formen. Die Blase kann davon die Ursache sein, muss es aber nicht.
- Dranginkontinenz: Die Dranginkontinenz ist besonders häufig. Der Harndrang tritt in diesem Fall so plötzlich auf, dass der Weg zur Toilette kaum noch zu schaffen ist. Diese Form der Inkontinenz kommt z.B. bei Blasenentzündungen vor. Sie kann aber auch die Folge oder die Begleiterscheinung von Nervenerkrankungen sein. Auch Blasensteine, Diabetes mellitus oder psychische Ursachen können diese Dranginkontinenz auslösen. Der Grund für den Drang ist meist ein fälschlich gesendetes Signal an das Gehirn: „Blase voll!“ Als Reaktion auf das Signal setzt der unkontrollierbare Harndrang ein.
- Belastungsinkontinenz: Die früher als Stressinkontinenz bezeichnete Belastungsinkontinenz zeigt sich im plötzlichen Harnfluss durch einen konkreten Auslöser. Das kann ein Lachen oder Husten sein, im fortgeschrittenen Stadium aber auch schweres Heben. Körperliche Belastung ist hier der Auslöser, durch den der Druck im Bauchraum erhöht wird. Die Betroffenen verspüren oft keinen Harndrang, bevor der Urin ungewollt abgeht. Die Ursachen sind vielfältig: Nervenverletzungen oder –reizungen oder eine Vorwölbung der Handblase können die Belastungsinkontinenz auslösen. Verschiedene Risikofaktoren begünstigen sie: chronischer Husten, Übergewicht, häufiges schweres Heben, Bewegungsmangel und speziell bei Frauen nach unten absinkende Beckenorgane wie eine Gebärmuttersenkung.
- Reflexinkontinenz: Bei dieser Variante spüren Betroffene nicht mehr, wann die Blase voll ist und können demzufolge auch nicht die Entleerung steuern. Daher entleert sich die Blase in unregelmäßigen Abständen von allein, meist aber nicht vollständig. Die Ursache sind geschädigte Nerven im Gehirn oder Rückenmark, die die Blase steuern. Unter anderem kann dies bei Querschnittslähmungen oder verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose passieren.
- Überlaufinkontinenz: Die Blase ist voll und es fließen daher ständig kleine Mengen Urin ab. Zudem haben Betroffene oft einen permanenten Harndrang. Die Ursache kann eine vergrößerte Prostata sein, die den Blasenausgang blockiert. Aber auch Tumore oder Harnsteine können eine Harnröhrenverengung und damit die Überlaufinkontinenz auslösen.
- Extraurethrale Harninkontinenz: Bei dieser sucht sich der Urin andere Öffnungen als die Harnwege, um abzufließen. Unter anderem können das die Vagina oder der After sein. Auch hier können Betroffene den Abgang nicht kontrollieren. Die Ursache können angeborene Fehlbildungen sein. Aber auch nach Operationen, entzündlichen Prozessen oder Röntgenbestrahlungen können sich die falschen Wege für den Urin bilden.
Wie äußert sich eine Stuhlinkontinenz?
Eine Stuhlinkontinenz tritt nur selten auf. Bei dieser können Darminhalt und Darmgase nicht im Enddarm zurückgehalten werden. Teilweise spüren Betroffene, dass der Stuhl gleich abgeht, schaffen es aber nicht mehr auf die Toilette. Bei anderen geht der Stuhl unvermittelt ab, ohne, dass sie vorher den Drang bemerkt hätten. Mediziner unterscheiden zwischen 3 Graden der Stuhlinkontinenz:
- Teilinkontinenz 1. Grades: Betroffene verlieren unkontrolliert Luft aus dem Enddarm, teilweise schmiert der Stuhl bei Belastung
- Teilinkontinenz 2. Grades: Darmgase und dünner Stuhl können von Betroffenen nicht mehr zurückgehalten werden.
- Totalinkontinenz: Ständiges Stuhlschmieren, Betroffene verlieren auch festen Stuhl.
Was sind die Ursachen einer Inkontinenz?
Bei einer Harninkontinenz kann es, wie schon oben erwähnt, verschiedene Ursachen geben: neurologische Erkrankungen, Organsenkungen, geschädigte Nerven im Gehirn oder Rückenmark oder auch Tumore und Blasensteine. Gerade der Beckenboden sollte bei Frauen beachtet werden – ist dieser stark, kann Inkontinenz vorgebeugt werden. Gefährdet für Probleme mit dem Beckenboden sind beispielsweise Frauen nach Schwangerschaften und Entbindungen. Das Bindegewebe kann durch die Belastung nachgeben und die Inkontinenz entstehen. Auch hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren können dies auslösen.
Stuhlinkontinenz kann verschiedene Ursachen haben. In seltenen Fällen kann sie angeboren sein – wesentlich häufiger entsteht sie allerdings durch verschiedene Krankheiten und eine damit einhergehende Schädigung oder Störung des Schließmuskels und/oder dem Mastdarm. Ursachen dafür können unter anderem chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn sein. Oder auch neurologische Krankheiten wie Demenz, Tumore sowie eine Beckenbodenschwäche oder ausgeprägte Hämorrhoiden.
Wie wird Inkontinenz behandelt?
Es gibt einige Hilfsmittel, die Betroffenen im Alltag helfen können, damit sie sich der Inkontinenz nicht ausgeliefert fühlen. Das einfachste Hilfsmittel ist ein regelmäßiger Gang zur Toilette, um Blase und Darm zu entleeren. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass auch ein zu häufiger oder zu seltener Toilettengang eine Inkontinenz begünstigen kann – im ersten Fall kann sich die Blase an zu geringe Urinmengen gewöhnen, im zweiten können Funktionsstörungen durch die ständige Überdehnung der Blase auftreten. Ein weiterer Risikofaktor für Inkontinenz ist das eigene Gewicht – durch Übergewicht wird der Druck im Bauchraum erhöht. Eine Gewichtsabnahme kann sich daher positiv auf eine Inkontinenz auswirken.
Außerdem ist Vorbeugung ist bei Inkontinenz ein wichtiges Thema. Und auch wenn die ersten Symptome bereits aufgetreten sind, können einige Tipps helfen, den Verlauf positiv zu beeinflussen. Für Frauen gibt es spezielle Gymnastik, die den Beckenboden trainiert. Unter den Sportarten kräftigt beispielsweise das Reiten den Beckenboden besonders nachhaltig. Beckenbodentraining kann Inkontinenz einerseits vorbeugen, andererseits ist dies aber auch ein wichtiger Schritt in der Behandlung. Je nach Art der Inkontinenz können auch Medikamente helfen, die beispielsweise die spontane Aktivität der Harnblasenmuskulatur bei der Reflexinkontinenz hemmen können. Im Falle einer extraurethralen Inkontinenz ist immer eine operative Behandlung notwendig, um die falschen Harnwege zu entfernen.
Bei der Stuhlinkontinenz ist Beckenbodentraining ebenfalls ein Mittel der Wahl. Ein Toilettentraining kann auch helfen oder spezielle Elektrotherapie. Als operative Maßnahme kann außerdem ein künstlicher Schließmuskel in Betracht gezogen werden.
Allgemeiner Hinweis: In unseren Ratgebern verwenden wir für die bessere Lesbarkeit überwiegend das generische Maskulinum. Gemeint sind damit aber auch Angehörige des weiblichen Geschlechts und anderer Geschlechtsidentitäten.
Über unsere Autorin:
Jacqueline Kusserow | Apothekerin in der Heimversorgung
Ich bin seit langer Zeit Apothekerin in der Heimversorgung bei mycare. Durch meine Fachweiteribldung "Pharmazie in der Geriatrie" bin ich nun auch für ein Medikationmanagement im Bezug auf unsere geriatrischen Patienten qualifiziert. Mehr erfahren
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