Wie bestimme ich den Pflegegrad und welche Pflegeleistungen stehen mir zu?
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Von Ulrike Wendt, PTA bei mycare.de
Aktualisiert: 21.05.2021
Seit noch nicht alt zu langer Zeit sprechen wir in der Pflege von Pflegegraden und nicht mehr von Pflegestufen. Mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz (PGS II), nachdem der gesetzliche Pflegebedürftigkeitsbegriff neu definiert wurde, gibt es nun fünf verschiedene Pflegegrade. In welchen Pflegegrad jemand eingeteilt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem Mobilität oder psychische Verfassung. Steht der Pflegegrad fest, können verschiedene Leistungen in Anspruch genommen werden.
Welche Definitionen gelten für die einzelnen Pflegegrade?
Ein Pflegegrad drückt das Maß an Pflegebedürftigkeit eines Versicherten aus. Diesen erhalten Menschen, die in Ihrer Selbständigkeit und Alltagstauglichkeit eingeschränkt sind. Zu den schwersten Beeinträchtigungen und Erkrankungen zählen beispielsweise:
Die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person steht damit bei der Beurteilung des Grads der Pflege deutlich im Fokus. Einen Pflegegrad erhalten dabei nicht nur Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen oder schwerwiegenden Erkrankungen. Menschen im Hohen Alter deren Selbstständig, bedingt durch das Alter, eingeschränkt wird können ebenfalls einem Pflegegrad zugeordnet werden.
Seit 2017 werden die Grade, je nach Stärke der Beeinträchtigung, nach einem Begutachtungsverfahren, dem sogenannten "Neuen Begutachtungsassessment" (NBA), bestimmt. Die entsprechende finanzielle Leistung ist dabei abhängig von der Höhe des Grades. Die fünf Pflegegrade werden dabei wie folgt bezeichnet:
Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (ehemals Pflegestufe 0)
Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (ehemals Pflegestufe 1, ohne eingeschränkter Alltagskompetenz bzw. Pflegestufe 0 mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (ehemals Pflegestufe 2 ohne eingeschränkte Alltagskompetenz bzw. Pflegestufe 1 mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (ehemals Pflegestufe 3 ohne eingeschränkte Alltagskompetenz bzw. Pflegestufe 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (ehemals Pflegestufe 3 mit Härtefallregelung)
Wie wird der Pflegegrad bestimmt?
Damit ein Pflegebedürftiger von der Pflegekasse die entsprechenden Leistungen erhält, muss er vorher als pflegebedürftig eingestuft werden. Diese Einschätzung übernimmt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), welcher anhand von verschiedenen Faktoren den Grad bestimmt. Dabei muss die zu pflegende Person sechs unterschiedliche Module bearbeiten und erhält, je nachdem wie eigenständig Sie die Aufgaben meistern kann, Punkte. Anhand dessen wird dann der Gutachter die Alltagskompetenz des Betroffenen beurteilen und ordnet Ihn der entsprechenden Pflegekategorie zu. Die Module im Überblick sind:
Mobilität: Wie der Name bereits verrät wird in diesem Bereich die Motorik der betroffen Person geprüft. Heißt, inwiefern diese sich selbständig fortbewegen und Ihre eigene Körperhaltung problemlos ändern kann. Beispielsweise ob die Person körperlich in der Lage ist sich in der Liege umzudrehen.
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Dieses Modul beschäftigt sich ausschließlich mit den Verständnis- und Sprachfähigkeiten. Das bedeutet, werden beispielsweise Menschen aus dem näheren Umfeld wiedererkannt, findet sich die Person in ihrer Umgebung zurecht und kann sie zielgerichtete Handlungen durchführen. Motorische Fähigkeiten werden dabei außer Acht gelassen.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Zu diesem Bereich gehören durch die Erkrankung bedingte Verhaltensweisen, die für die betroffene und zu pflegende Person belastend seien könnten. Darunter zählen orientierungsloses Umherlaufen, herausforderndes und aggressives Verhalten, oder das Ablehnen von pflegerischen Hilfen. Im Test wird dann geprüft, wie oft diese Verhaltensweisen auftreten.
Selbstversorgung: In diesem Module entscheidet der Gutachter in wieweit die Pflegeperson in Stande ist, Tätigkeiten zur Versorgung des Körpers nachzugehen. Dies umfasst das Waschen, Duschen und Anziehen des Körpers, sowie Essen und Trinken und das Benutzen der Toilette.
Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: In diesem Schritt wird bestimmt, ob die betroffene Person ärztlich angeordnete Maßnahmen selbstständig umsetzen kann. Sollte das nicht der Fall sein, muss beurteilt werden wie oft Unterstützungen benötigt werden.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Zu guter Letzt wird die Alltagskompetenz an sich getestet. Darunter fällt beispielsweise das Pflegen und Aufbauen von alten und neuen Kontakten.
Anhand der in den Modulen erreichten Punkte wird abschließend der zugehörige Grad der Pflegebedürftigkeit bestimmt. Dabei werden die Punkte nicht einfach addiert, sondern es findet eine Gewichtung der Punktzahl abhängig von den Modulen statt. Bedeutet, jede Summe der Einzelpunkte pro Modul wird nach einer festgelegten Berechnungsregel in einen sogenannten gewichteten Punktwert umgerechnet. Abschließend werden die gewichteten Punktwerte zusammengezählt. Die Ausnahme machen dabei die Module 3 und 2, da fließt nur das Modul mit der höheren Punktzahl ein. Der Gesamtpunktwert liegt dann zwischen 0 und 100.
Damit die richtige Stuffe des Pflegegrads leichter ermittelt werden kann gibt es ein Punktesystem:
- Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
- Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punktey
- Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
- Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
- Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
Tipp: Damit das Gutachten reibungslos verläuft hilft es sich vorher auf das Gespräch vorzubereiten. So können Sie oder der zu pflegende Angehörige ein paar Tage vorher damit beginnen ein Pflegetagebuch zu führen. Dort werden dann die wichtigsten Informationen über die Alltagsfähigkeit der pflegebedürftigen Person eingetragen. Beispielsweise in welchen Situationen noch Hilfe bei der Bewältigung des Alltags benötigt wird. Somit kann nicht nur Zeit eingespart werden, sondern es hilft auch Missverständnisse vorzubeugen.
Wer vor der Umstellung im Januar 2017 bereits eine Pflegestufe besaß, wird automatisch in den passenden Pflegegrad übergeleitet. Dabei ist keine erneute Begutachtung notwendig. Ihre Pflegeversicherung teilt Ihnen dann schriftlich Ihren Grad der Pflege mit. Dieser bleibt auch beim Wechsel des Pflegeversicherungsunternehmens weiterhin bestehen.
Einen Pflegegrad beantragen
Ein Pflegegrad-Antrag zu stellen ist nicht so schwer, wie viele vielleicht denken mögen. Sie können Ihre Krankenversicherung ganz einfach telefonisch oder schriftlich erreichen und dann den Antrag auf Pflegeleistung stellen. Daraufhin erhalten Sie über Ihre Krankenkasse einen Termin zur Begutachtung durch den MDK. Der Gutachter kommt dann per Hausbesuch zu Ihnen und verfasst eine MDK-Begutachtung bezüglich der Pflegegradhöhe. Diese Einschätzung wird dann der Kranken- bzw. Pflegeversicherung vorgelegt. Schlussendlich entscheidet diese über die Genehmigung des Pflegegrades.
Sollte der Fall vorliegen, dass der Antragsteller sich in einem Krankenhaus oder in einer Reha befindet, gibt es die Möglichkeit dass der Pflegegrad gleich Vorort über den Sozialdienst beantragt wird. Das ist äußerst ratsam, da die Mitarbeitenden des Sozialdienstes auf das Beantragen geschult sind. Sie müssen auch keine Angst davor haben unfreiwillig vom Krankenhaus oder Pflegeheim eingestuft zu werden. Nur der Pflegebedürftige selbst kann einen Pflegegrad mit seiner Unterschrift beantragen. Ist er selbst dazu nicht mehr in der Lage, kann sein gesetzlicher Vertreter den Antrag auf Pflegeleistung stellen und unterschreiben.
Bedenken Sie auch, dass der Antrag beim ersten Mal durchaus abgelehnt werden kann. Dafür kann es mitunter verschiedene Ursachen geben. Der Gutachter konnte die Pflegebedürftigkeit nicht richtig ermitteln, vielleicht wurden Punkte vergessen mitzuteilen und andere Gründe die wir nicht kennen. Sollte der Fall eintreten, dass Ihr Antrag abgelehnt wird, besitzen Sie die Möglichkeit einen Widerspruch gegen die Ablehnung einzulegen. Bei berechtigten Anspruch wird dann nach dem Widerspruch der Pflegegrad doch noch genehmigt. Achten Sie aber unbedingt darauf die Widerspruchsfrist einzuhalten. Neben einer Ablehnung besteht auch die Möglichkeit, dass sie eine zu niedrige Pflegegrad-Einstufung erhalten. In diesem Fall sollten Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Weitere Informationen, wie Sie Ihren Hilfsansprich geltend machen finden sie hier.
Welche Pflegeleistungen stehen mir zu?
Jeder der mit dem Thema Pflege bereits in Kontakt getreten ist, weiß, dass Pflegekosten schnell sehr teuer werden können. Umso wichtiger ist es dass Sie wissen, was Ihnen an finanziellen Mitteln und Zuschüssen zusteht. Bei den Pflegeleistungen handelt es sich um finanzielle Leistungen der Pflegekasse für eine pflegebedürftige Person. Zu den Pflegeleistungen zählen das Pflegegeld, die Pflegesachleistungen, Kombinationspflege, Kurzzeitpflege usw. Es können somit die häusliche Pflege oder die Kosten für ein Pflegeheim mitfinanziert werden. Die Höhe der Pflegeleistungen ist dabei abhängig vom Pflegegrad.
Mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz wurden aus den 3 Pflegestufen die neuen Pflegegrade 1 bis 5. Während die Pflegegrade 2 bis 5 "vollwertige Pflegegrade" sind, gibt es beim Pflegegrad 1 deutlich weniger Leistung. Aber auch wenn der Pflegegrad 1 kein vollwertiger Pflegegrad ist, sollten Menschen mit einer geringen Pflegebedürftigkeit den Pflegegrad 1 beantragen, um zumindest einige finanzielle Zuschüsse zu erhalten. Darüber hinaus haben Sie auch einen Anspruch auf:
- Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (bis zu 4.000€ pro Maßnahme)
- Pflegehilfsmittel (Bettschutzmittel, Desinfektionsmittel, Mundschutz)
- Regelmäßige Beratungen und Pflegekurse
Der Pflegegrad 1 ist dabei speziell an Menschen mit geringer Beeinträchtigung der Selbstständigkeit gerichtet. Man spricht daher auch von einem "vorbeugenden Pflegegrad", da die Leistungen zur Vorbeugung der Gesundheit eingesetzt werden sollen. Menschen mit Pflegegrad 1 sind insoweit auch eigenständig, dass Sie tagsüber keine Präsenz von Pflegepersonen und in der Nacht keine Hilfen benötigen. In den Pflegegrad 1 gehören also Personen die geringfügigen Hilfen und Unterstützungen benötigen, z.B. bei der:
- Abwicklung von finanziellen und behördlichen Angelegenheiten
- Grundpflege bzw. beim An- und Ausziehen (wenn nötig)
- Haushaltsführung
- richtigen Einnahme von verordneten Medikamenten
Die Pflegegrade 2 bis 5 sind an Patienten mit schweren bis schwersten Einschränkungen gerichtet. In diesem Bereich fallen unter anderem Patienten mit stark eingeschränkter Alltagskompetenz. Diese haben, aufgrund Ihres erheblichen Bedarfs an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung, einen Anspruch auf zusätzliche Pflegeleistungen und häusliche Betreuung. Unter Patienten mit eingeschränkter Alltagskompetenz zählen Personen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, einer geistigen Behinderung oder psychischer Erkrankung. Sie sind dabei in der Ausführung Ihrer Aktivitäten des Alltags eingeschränkt. Die Pflegeleistungen der Pflegegrade 1 bis 5 allgemein im Überblick:
Pflegegrad 1 | Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 | |
---|---|---|---|---|---|
Pflegegeld monatlich | 0 | 316 € | 545 € | 728 € | 901 € |
Sachleistung** ambulant mtl. | 0 | 689 € | 1298 € | 1612 € | 1995 € |
Entlastungsbetrag* ambulant mtl. | 125 € | 125 € | 125 € | 125 € | 125 € |
Pflegehilfsmittel mtl. | 40 € | 40 € | 40 € | 40 € | 40 € |
Verhinderungspflege jährlich | 0 | 1612 € | 1612 € | 1612 € | 1612 € |
Kurzzeitpflege jährlich | 0 | 1612 € | 1612 € | 1612 € | 1612 € |
Entlastungsbetrag
Der Entlastungsbetrag richtet sich speziell an Pflegebedürftige in der häuslichen Pflege. Diese haben einen Anspruch auf 125€ monatlich. Das gilt auch für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1. Es sollen damit pflegende Angehörige im Alltag unterstützt und die Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen gefördert werden. Der Anspruch auf die Entlastungsleistung ist gesetzlich verankert.
Der Betrag wird jedoch nur dann gewährt, wenn auch tatsächliche Leistungen in Anspruch genommen wurden. Heißt der Versicherte trägt die Kosten für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zunächst selbstständig und reicht dann im Nachgang die entsprechende Rechnung bei der Pflegekasse ein. Sollte der Leistungsumfang bis Ende des Monats nicht (vollständig) ausgeschöpft worden sein, wird der verbliebende Betrag in den darauffolgenden Monat übertragen. Verwenden könne Sie den Entlastungsbetrag für:
- Leistungen der Tages und Nachtpflege
- Leistungen der Kurzzeitpflege
- Leistungen der zugelassenen Pflegedienste (bei den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht im Bereich der Selbstversorgung)
- Leistungen zur Unterstützung des Alltags
- Leistungen für den ambulanten Pflegedienst
Allgemeiner Hinweis: In unseren Ratgebern verwenden wir für die bessere Lesbarkeit überwiegend das generische Maskulinum. Gemeint sind damit aber auch Angehörige des weiblichen Geschlechts und anderer Geschlechtsidentitäten.
Über unsere Autorin:
Ulrike Wendt | Pharmazeutische Kundenbetreuung
Ich bin seit 17 Jahren Pharmazeutisch-technische Assistentin bei mycare.de. Aufgrund der langen Berufserfahrung und der regelmäßigen Fortbildung sind wir schon Experten in Gesundheitsthemen. Mehr erfahren über U. Wendt
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