Der vollständige Leitfaden zur Mittelohrentzündung und Ohrenschmerzen

✓ Medizinisch geprüft - Lesezeit: 4 Minuten

Von Dr. Leonie Dolder, Medizinjournalistin
Aktualisiert: 15.11.2022

Ein Kind zeigt auf sein Ohr, weil es Ohremschmerzen hat.

Die akute Mittelohrentzündung ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter - sie kann aber auch bei Erwachsenen vorkommen. Sie wird häufig durch die Bakterien Pneumokokken, Streptokokken oder Staphylokokken hervorgerufen. Die Bakterien gelangen aus dem Nasen-Rachen-Raum zum Mittelohr, wo sie eine Entzündung verursachen. Die Erkrankung setzt meist plötzlich ein und äußert sich durch starke Schmerzen im Ohr. Kinder erkranken vermehrt in der kälteren Jahreszeit, meistens im Anschluss an eine Erkältung. Bei richtiger Behandlung heilt die Mittelohrentzündung relativ schnell ab.

Was ist eine Mittelohrentzündung?

Ein charakteristisches Merkmal für eine akute Mittelohrentzündung sind heftige, pochende Ohrenschmerzen, vor allem wenn sie abends oder nachts auftreten. Es ist eine schmerzhafte Infektion des Ohres, ausgelöst durch Viren oder Bakterien. Diese steigen vom Nasen-Rachen-Raum bis ins Mittelohr auf. Dort vermehren sie sich und lösen starke, pulsierende und klopfende Schmerzen im Ohr aus. Kinder sind dafür besonders anfällig, da das Verbindungsstück im Ohr noch anders verläuft als bei Erwachsenen und im Vergleich sehr kurz und weit ist. Anzeichen für eine Mittelohrentzündung sind:

  • Ein- oder beidseitige stechende Ohrenschmerzen
  • Schlafschwierigkeiten
  • Druckschmerz hinter dem Ohr
  • Hörminderung
  • Fieber und Kopfschmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Unspezifische Bauchschmerzen

Die Entzündung kann großen Druck auf das Trommelfell ausüben. Dieses kann dann nachgeben und durchbrechen. Läuft trübe-wässriges, eitriges oder leicht blutiges Sekret aus dem Ohr, sollten Sie das Kind unbedingt von einem Kinderarzt oder Hals-Nasen-Ohren-Arztuntersuchen lassen.

Infografik Mittelohrentzündung: Symptome, Ursachen, Behandlung

Welche Ursachen hat eine Mittelohrentzündung?

Ursachen einer Mittelohrentzündung sind verschiedene Viren und Bakterien. Meistens bestand vorher eine Entzündung im Nasen-Rachen-Raum oder eine Mandelentzündung. Man unterscheidet je nach Verlauf die akute und die chronische Mittelohrentzündung. Aber auch diese Ursachen können der Grund für die Schmerzen sein:

  • Zahn- oder Kieferprobleme
  • Fremdkörper im Gehörgang
  • Sturz auf den Kopf
  • Paukenerguss
  • Ohrenschmalzpfropf
  • Wasser im Ohr durch das Baden

Ohrenschmerzen können begleitet werden von Druckgefühl oder Juckreiz im Ohr, Ohrgeräusche, Hörprobleme, Schwindel oder Fieber. Risikogruppen, welche häufiger an Mittelohrentzündungen erkranken, sind Kinder, die häufig mit anderen Kindern in Kontakt stehen (Schule, Tagesbetreuung, Geschwister), aber auch Kinder mit grossen Rachenmandeln und Kinder mit angeborenen Missbildungen im Rachenbereich (z.B. Gaumenspalten).

Welche Symptome sind charakteristisch für eine Mittelohrentzündung?

Ohrenschmerzen lassen sich von außen schlecht feststellen. Zudem können Babys und Kleinkinder nicht genau sagen, wo es weh tut. Deshalb sollten Sie als Eltern auf diese Zeichen achten:

  • Kinder klagen über starke, pochende Ohrenschmerzen, die häufig nachts stärker empfunden werden<7li>
  • Unruhe, Reizbarkeit
  • Plötzliches, hohes Fieber
  • Rapide Verschlechterung des Allgemeinzustandes
  • Kinder fassen sich oft ans Ohr
  • Druckschmerz, ev. Schwellung hinter dem betroffenen Ohr

Als Notfall müssen folgende Zeichen gedeutet werden (dann sollte unverzüglich ein Arzt oder eine Notaufnahme aufgesucht werden):

  • Hohes Fieber (über 3 Tage)
  • Anhaltendes Erbrechen und Durchfälle
  • Krampfanfälle
  • Bewusstseinsstörungen
  • Ausfluss aus dem Ohr

Welche Risiken entstehen durch eine Mittelohrentzündung?

Unter der richtigen Therapie heilt eine akute Mittelohrentzündung meistens schnell und ohne Folgen ab. Unbehandelte oder nicht ausgeheilte Mittelohrentzündungen können chronisch verlaufen und damit zu dauerhaften Hörschäden führen. Als Komplikation, die nach zwei bis drei Wochen auftreten kann, muss hier die Entzündung des Warzenfortsatzes (Mastoiditis) genannt werden. Zeichen dafür sind zunehmende Ohrenschmerzen, Druckschmerzen, Schwellung hinter dem Ohr (dort befindet sich der Warzenfortsatz), zunehmende Hörverminderung, Ausfluss, erneute Fieberschübe, Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Dies stellt einen akuten Notfall dar. In seltenen Fällen kommt es zu einer Hirnhautentzündung. Bei folgenden Situationen sollte eine Behandlung beim Arzt erfolgen:

  • Bei anhaltendem Fieber
  • Blut im Ohr
  • Allgemeinzustandsverschlechterung
  • Schwellung und Druckschmerz hinter dem Ohr
  • Babys unter sechs Monaten
  • Mittelschwere bis starke Ohrenschmerzen auf beiden Seiten bei Kindern unter 2 Jahren
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Nach einem Unfall

Wie wird die Mittelohrentzündung behandelt?

Eine Schmerzlinderung ist wichtig. Schmerzen können mit Paracetamol und Ibuprofen behandelt werden. Die meisten Personen, die an einer akuten Mittelohrentzündung leiden, erholen sich schnell ohne Behandlung. Als Antibiotika wird Amoxicillin verordnet - Antibiotika sind nur dann empfohlen, wenn die Krankheit schwerwiegend ist oder wenn die Symptome nach 72 Stunden nicht schwächer geworden sind.Erwachsenen kann ein abschwellendes Nasenspray, wie das Otriven 0,1% Dosierspray,  verabreicht werden. Abschwellende Mittel helfen bei Kindern nicht und können unangenehme oder sogar gefährliche Nebenwirkungen hervorrufen, besonders bei Kindern im Alter von weniger als 2 Jahren.

Welche Risiken entstehen durch eine Mittelohrentzündung?

Allgemein sollten fiebersenkende Massnahmen ergriffen und fiebersenkende Medikamente gegeben werden. Kinder sollten viel trinken, bei Säuglingen besteht Austrocknungsgefahr. Es kann Rotlicht auf das betroffene Ohr gestrahlt werden, die Wärme bringt oft Erleichterung. Betroffene Kinder sollten nicht baden, die Haare nicht gewaschen werden. Schwimmen im Hallenbad soll auch nach abgeheilter Entzündung nur mit Ohrenschutz erfolgen. Die Behandlung mit Antibiotika sollte auf Infektionen beschränkt bleiben, welche durch Bakterien hervorgerufen werden. Bei einem viralen Infekt nützen Antibiotika nichts. Die Schmerzbekämpfung muss individuell auf das Kind abgestimmt werden.

 Tipp:Die meisten Schmerzmittel wie Paracetamol senken gleichzeitig auch das Fieber. Bis zum Arzttermin können Paracetamol-Zäpfchen die Schmerzen lindern und das Fieber senken.

Übrigens: Ohrentropfen können das Trommelfell nicht durchdringen und nützen bei einer Mittelohrentzündung nichts. Bei sehr starken Schmerzen oder anhaltendem hohem Fieber und Verschlechterung des Allgemeinzustandes kann der Arzt einen kleinen Einschnitt ins Trommelfell machen und damit die dahinter liegende Flüssigkeit entleeren. Es kann auch ein sogenanntes Paukenröhrchen in das Trommelfell eingesetzt werden, dies wird oft bei wiederholten Mittelohrentzündungen gemacht. Das Ohr wird dadurch belüftet und die Flüssigkeit kann abfließen.

Welche weiteren Ursachen können Ohrenschmerzen haben?

Auch Erkrankungen der Zähne oder des Kiefergelenks, der Halswirbelsäule oder eine Mandelentzündung (Tonsillitis) oder Rachenentzündung (Pharyngitis) können Ohrenschmerzen verursachen. Eiteransammlungen neben den Mandeln (Peritonsillarabszess) oder Erkrankungen der Nasennebenhöhlen (Sinusitis) und auch Tumore in der Kopf-Hals-Region verursachen ferner Ohrenschmerzen.

Welche Hausmittel helfen gegen Ohrenschmerzen?

Zwiebeln helfen bei einer Entzündung und wirken antibakteriell. Ein Zwiebelsäckchen kann auf das Ohr gelegt und mit einem dünnen Schal oder mit einer Mütze fixiert werden. Dafür wird eine Zwiebel klein gehackt, kurz erhitzt und in ein Geschirrtuch gewickelt. Wärme tut bei Schmerzen gut. Legen Sie ein Kirschkernkissen in den Backofen oder in die Mikrowelle. Beachten Sie dabei unbedingt die Herstellerangaben! Das Kissen wird lauwarm auf das Ohr des Kindes gelegt. Infrarotlicht kann chronische Ohrenschmerzen lindern. Die Wärme tut gut, steigert die Durchblutung und verbessert den Stoffwechsel im kranken Ohr.

Kann ich Ohrenschmerzen vorbeugen?

Es gibt ein paar Dinge, die Ohrenschmerzen vorbeugen können:

  • Viel trinken: Um die Schleimhäute ausreichend feucht zu halten, sollten Sie viel trinken. Besonders gut eignen sich Wasser und ungesüßter Tee.
  • Zugluft meiden: Mit einer Mütze können die Ohren geschützt werden.
  • Schnupfen: Bei Schnupfen sollte das Sekret gut ablaufen können. Abschwellende Nasentropfen helfen in solchen Fällen. Jedoch sollten Sie sie nur für einen begrenzten Zeitraum anwenden.
  • Schwimmen: Spezielle Stöpsel oder Ohrentropfen können helfen, das Wasser aus den Ohren zu halten oder zu bekommen. Wasser im Ohr kann zu einer Mittelohrentzündung führen. Wechseln Sie Ohrenstöpsel regelmäßig, damit sich keine Keime vermehren können.

Allgemeiner Hinweis: In unseren Ratgebern verwenden wir für die bessere Lesbarkeit überwiegend das generische Maskulinum. Gemeint sind damit aber auch Angehörige des weiblichen Geschlechts und anderer Geschlechtsidentitäten.

Autorin Ärztin Dr. Leonie Dolder

Über unsere Autorin:

Dr. Leonie Dolder | Ärztin
Ich bin Ärztin und medizinische Autorin aus Leidenschaft. Es liegt mir am Herzen, den Menschen Gesundheitsthemen näher zu bringen und Medizin verständlich zu erklären, denn ein gut informierter und aufgeklärter Patient kann sich besser um sein größtes Gut - seine Gesundheit - kümmern.
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Lisa Stenschke, Apothekerin bei mycare.de
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